72. Jahrestagung der DPG / Universität Freiburg (im Breisgau) KGI-Hörsaal 1015
Referat vor dem Arbeitskreis Philosophie der Physik (AK Phil) 9.1 am 5. März 2008


Der Humanfaktor in der Wissenschaft


Abstract  wie eingereicht

In seiner "Italienischen Reise" finden wir folgende Bemerkung Goethes über das Verhältnis von Mensch und Wissenschaft: "Kommt man tiefer in die Sache, so sieht man, wie eigentlich das Subjektive auch in den Wissenschaften waltet, und man prosperiert nicht eher, bis man anfängt, sich selbst und seinen Charakter kennen zu lernen." Leider kümmern sich Naturwissenschaftler nur wenig um die menschliche Komponente allen Forschens, was ein großer Fehler ist, denn ohne die Aufklärung der Beobachterrolle bleibt alles Wissen vorläufig. Weil alles Erkennen relativ zu den Erkenntnismittel ist, gilt es vor allem, sich über diese Klarheit zu verschaffen. Zum Beispiel wüssten wir ohne die automatische Vergleichung nacheinander eintreffender Daten durch das Gedächtnis nichts von Zeit und Bewegung, hätten wir keine Wahrnehmung von Wörtern, Sätzen und Melodien, weil alle Bilder, Laute und Zeichen nur unverbunden nacheinander registriert werden würden. Erst ihre kontinuierliche Verbindung durch das Gehirn schafft jene Welt, die wir kennen und in der wir uns orientieren. Sie ist also ein Konstrukt des Gehirns.


"Wir sprechen von Natur und vergessen uns dabei."
Friedrich Nietzsche 1844-1900

"Sprachvergessenheit ist zum Kennzeichen der Naturwissenschaften geworden."
"Sprachkritik ist die wichtigste Aufgabe, die die theoretische Philosophie heute übernehmen kann."
Peter Janisch 2009 in "Kein neues Menschenbild. Zur Sprache der Hirnforschung"

"Die Wahrheit ist in der richtigen Verwendung der Sprache zu finden."
Ingeborg Bachmann

Da wo das Geistige nicht beachtet und geachtet wird, achtet man auch nicht auf die Sprache.

Gliederung  während des Referats projiziert

Vorbemerkung
Betrug in der Wissenschaft
kollektive und individuelle Bedürfniswahrheiten
die biologistisch-mentalistische Sichtweise
unser Welterleben als ein Konstrukt des Gehirns
die männliche und die weibliche Sichtweise
alle Erkenntnis ist relativ zu den Erkenntnismitteln
physikalische Größen sind keine physikalischen Gegenstände
generelle Schlussbemerkung
Vortext  (nachgetragen)


Referat

In seiner "Italienischen Reise" finden wir folgende Bemerkung Goethes über das Verhältnis von Mensch und Wissenschaft: "Kommt man tiefer in die Sache, so sieht man, wie eigentlich das Subjektive auch in den Wissenschaften waltet, und man prosperiert nicht eher, bis man anfängt, sich selbst und seinen Charakter kennen zu lernen." Leider kümmern sich Naturwissenschaftler jedoch nur wenig um die menschliche Komponente allen Forschens. Was war das für ein Aufsehen in der Physik, als Niels Bohr sagte, es gelte die Rolle des Beobachters zu beachten. Viele Physiker können das in ihrer Betriebsblindheit bis heute nicht recht glauben und wünschen sich in einem falschen Objektivismus Alternativen zur Kopenhagener Deutung der Quantenphysik. Dumm dabei ist nur, dass sie so erfolgreich ist.

Das Subjektive, das wir heute betrachten wollen, beginnt ja schon mit dem Ehrgeiz und der Eitelkeit von Menschen, gerade auch in der Wissenschaft, in der es um viel Ruhm und Geld geht. So menschelt es in ihr ungeheuer. "Betrug in der Wissenschaft ist etwa so alt wie die Forschung selbst. Schon der Astronom Ptolemäus fälschte Beobachtungen oder übernahm Daten von Hipparchos. Auch Isaac Newton soll den Beweis des allgemeinen Gravitationsgesetzes von einem Kollegen ‚geklaut' haben." Ich gebe zu, dass dies der Auszug aus einer dpa-Meldung ist, die ich mal ausgeschnitten hatte. Der allen DPG-Mitgliedern bekannte Verlag WILEY-VCH hat 2003 das Buch von Heinrich Zankl "Fälscher, Schwindler, Scharlatane. Betrug in Forschung und Wissenschaft" verlegt. Und es gibt noch mehrere solcher Bücher. Trotzdem denke ich, dass sie vielleicht nur sie Spitze des Eisbergs zeigen. Die schlimmeren hat man entweder noch nicht entdeckt oder wagt sie nicht auszusprechen in der berechtigten Sorge, dass dann die ganze Wissenschaft mit ihrem Geldhunger und ihren großen Versprechungen in Misskredit gerät. Aber diese böse, offen sichtliche Seite des Subjektiven ist nur der Einstieg zu meinem eigentlichen Thema.

Aus Zeitgründen kann ich hier auch nicht über die ideologischen, rassistischen und auch nationalistischen Vorurteile in der Wissenschaft oder über die Eitelkeit von Fakultäten sprechen. Mein eigentliches Thema ist zu zeigen, dass alle Erkenntnis relativ zu den Erkenntnismittel ist und gilt. Das halte ich für eine Selbstverständlichkeit und damit auch die Aussage, dass in jeder Beobachtung der Beobachter präsent ist. Ich komme noch konkret darauf zurück. Die Dinge sagen ihm nämlich nicht, was sie sind und zu was sie nützen. Da muss er sich schon selbst etwas einfallen lassen. Und so schließt er zuerst einmal von sich auf andere und auch auf die Dinge. Dazu noch einmal Goethe, ebenfalls in seiner Italienischen Reise: "Alle Philosophie über die Natur bleibt doch nur Anthropomorphismus, d.h. der Mensch, eins mit sich selbst*, teilt allem, was er nicht ist, diese Einheit mit, zieht es in die seinige herein, macht es mit sich selbst eins." Deshalb glaubte die Menschheit lange, dass in der Natur alles belebt und beseelt ist - in vielen Teilen der Welt ist das wohl immer noch so - und man erklärte sich das Wirken der Natur durch irgendwie menschähnliche Gestalten, wie Dämonen, Teufel und Götter. "Alles ist voller Götter" sagte der ionische Naturphilosoph Anaximander. Und der Glaube an einen persönlichen, alles lenkenden Gott, auch bei Naturwissenschaftlern, ist sowieso unausrottbar, weil er einem tiefen Bedürfnis entspringt. Zitat: "Philosophieren in Grundfragen ist eben nur scheinbar ein Philosophieren. Angesichts individueller und kollektiver Bedürfniswahrheiten wird das tatsächlich immer schnell zum psychologischen Problem." (Zitat nach Friedrich Seibold)

Wie auch Zeilinger erkannte, trägt der Mensch ihm verständliche Eigenschaften an die Dinge heran und probiert, wie weit sie für seine Zwecke nützlich sind. Hier verweise ich auf meinen Vortrag in Berlin von 2005 "Zeilinger und die Entdeckung des Subjekts", nachzulesen auf meiner Webseite "ZEIT UND SEIN". Doch schon Newton bemerkte, dass viele Eigenschaften sich nur durch den Standpunkt des Beobachters ergeben, also rein subjektiv sind. So schreibt er gleich in Definition III seiner "Principia": "Der naive Beobachter weist von jeher Widerstandskraft den ruhenden und Impetus den sich bewegenden Körpern zu: Aber Bewegung und Ruhe, wie sie gemeinhin verstanden werden, sind nur dem Standpunkt nach voneinander verschieden." Also nicht der Sache nach! Der Standpunkt des Beobachters besteht nämlich darin, dass er ganz automatisch zu seinem Verständnis einen der Körper "als ruhend" ansieht, z. B. die Erdoberfläche, und dann das Verhalten der anderen darauf bezieht: also das Universum würde sich täglich um die Erde bewegen, wie das der Augenschein lehrt. Aber in Wahrheit ist es auch nicht umgekehrt, weil eben unbelebte Dinge weder "ruhen" noch "sich bewegen". Das ist nur eine biologistisch-mentalistische Sichtweise, die Eigenschaften biologischer Systeme auf unbelebte überträgt und ist damit ein Weiterwirken des Animismus in der Physik. In Wahrheit verharren rein physikalische Körper von sich aus nur in ihrem Zustand, wenn sie nicht gerade mit vor Ort anwesenden physikalischen Kräften wechselwirken, dadurch ausgelöst, dass sie ihren Zustand zu erhalten versuchen, weshalb ja Newtons 1. Axiom gleichermaßen sowohl für Körper gilt, die wir instinktiv als "ruhend", als auch für jene, die wir instinktiv als "bewegt" bewerten. Deshalb lassen sich aus dem nur scheinbaren Gegensatz von Ruhe und Bewegung auch keine physikalischen Schlussfolgerungen ziehen, da dieser Gegensatz ja nur im Kopf des vergleichenden Beobachters existiert, wobei die Zuordnung dieser Eigenschaften in seinem Belieben steht, bzw. durch seine Sehgewohnheit bedingt ist, über die er sich leider zumeist keine Rechenschaft gibt. Einstein schrieb dazu 1905 zuerst auch ganz richtig, dass der absoluten Ruhe KEINE Eigenschaften der Erscheinungen entsprechen und sah dies als "erwiesen" an. Dass er wenige Zeilen später mit dem nur scheinbaren Gegensatz von Ruhe und Bewegung seine Spezielle Relativitätstheorie begründete war nicht nur sein Problem, sondern ist heute noch immer und nicht unverschuldet das der ganzen Physik, die sich um keine der Sache angemessene Sprache bemüht und sich an Widersprüchen nicht stört. Doch ohne die biologistische Sicht- und Redeweise und ohne die Setzung und Benutzung eines Bezugssystem durch einen Beobachter gibt es in der Welt der Physik objektiv absolut nichts, was man "ruhend" oder "bewegt" nennen könnte und was eine Geschwindigkeit hat, weshalb wir in der Physik besser immer statt von einer "Bewegung" von einem Ortswechsel der Dinge sprechen sollten, was natürlich die Zugabe von Orten als Bezugspunkte voraussetzt, wodurch sofort klar wird, wie sehr hier der Beobachter in seiner Beobachtung präsent ist, nämlich dass es ohne seine Zugabe die genannten Eigenschaften gar nicht gibt und die somit auch kein physikalisches Problem sein können, sondern nur ein mentales sind. Die erwiesenen Gleichberechtigung aller (unbeschleunigten) Realsysteme (Einstein: Inertialsysteme), unabhängig von ihrer Geschwindigkeit, hat ihren Grund in eben dieser Tatsache, dass eine Geschwindigkeit nur im Bezugssystem des Beobachters aufscheint und mit ihm wieder verschwindet, weshalb die Verschiedenheit der Geschwindigkeiten für die Sache selbst ohne Bedeutung ist. Über die Konsequenzen dieses Sachverhaltes für die Physik gilt es weiter nachzudenken.

Ganz allgemein gilt die durch die neuronale Forschung belegte Tatsache, dass die Einheit des Augenblicks bis zu 3 Sekunden beträgt, in der Eindrücke gesammelt, überlappt und durch das Gehirn zu einem einzigen Eindruck verbunden werden. Ohne die automatische Überlappung und Vergleichung nacheinander eintreffender Daten durch das Gedächtnis wüssten wir nichts von Zeit und Bewegung, hätten wir keine Wahrnehmung von Wörtern, Sätzen und Melodien, weil alle Laute, Zeichen und Bilder als Momentaufnahmen, wie bei einer Filmrolle mit ihren unzähligen Standbildern, nur unverbunden nacheinander registriert werden würden. Erst ihre kontinuierliche Verbindung durch das Gedächtnis schafft jene zeitliche und bewegte Welt mit Sprache und Musik die wir kennen und in der wir uns orientieren. Wie die Dreidimensionalität aufgrund zweier zwangsläufig zweidimensionaler Wahrnehmungen beim Sehen und Hören, ist sie also ein Konstrukt des Gehirns, das Filmemacher und Hersteller dreidimensionaler Illusionsbilder zu nutzen wissen! Wer das versteht, - und jedermann kann dies nachvollziehen! - versteht wie mächtig die Rolle des Beobachters ist. Ohne ihre Berücksichtigung bleibt alles Wissen vorläufig. Philosophisch ist dies das Problem von Schein und Sein, wobei der Schein immer auf der Seite des Beobachters steht - ist er doch dessen Ursache - und nicht auf der Seite der Welt, wie indische Religionen lehren, die jedoch immerhin Sein und Schein zu unterscheiden wissen, eine Differenz, mit der Westler sich weiterhin schwer tun.

Doch das Subjektive geht noch tiefer. Da ist noch der Gegensatz zwischen der männlichen und der weiblichen Sichtweise. Die heutige Wissenschaft ist dem Impetus der männlichen Sichtweise entsprungen, die beherrschen und ausbeuten will. Für sie ist nur wichtig, was die Dinge für uns sind. Damit sind wir auch herrlich weit gekommen. Leider wirken wir mit ihr auch immer desaströser in die Natur hinein und sind in der Gefahr, die Lebensgrundlagen auf dieser Erde nachhaltig zu zerstören. Die sich anbahnende Klimakatastrophe ist da nur der Anfang. Erst als die negativen Folgen dieses Herrschaftswissens in Form des Umweltproblems immer offensichtlicher wurden, begann man sich der Natur in positiver Weise zuzuwenden, was eben zur weiblichen, auf Verstehen ausgerichteten Sichtweise gehört. Und ich sage heute, wenn wir kein weiblich liebendes Verständnis der Dinge finden, wird alle Wissenschaft vergebens sein. In Zukunft werden wir von der Natur immer nur die Liebe in Form von Überlebensmöglichkeiten empfangen, die wir selber zu geben bereit sind. Der Vorschuss der Natur, das von der Evolution erzeugte Gleichgewicht, ist verbraucht. Wenn Niels Bohr sagte: "Wir müssen lernen, dass wir im Spiel des Lebens Zuschauer und Schauspieler zugleich sind", so heißt das eben auch, dass wir verpflichtet sind für unser Denken, Reden und Tun die Verantwortung zu übernehmen, soll die Menschheit nicht am ungebremsten blinden Egoismus scheitern. Wer die Rolle des Beobachters leugnet, leugnet die Verantwortung der Menschen für ihr Denken, Reden und Tun und macht sich an der Gesellschaft und deren Zukunft schuldig. Aber auch am Einzelnen, denn Selbsterkenntnis war schon immer das höchste Ziel geistigen Strebens, "Weisheit" genannt. So bereits Laotse im alten China in seinem 33. Spruch: "Andere erkennen ist klug, sich selber erkennen ist weise." Ähnlich stand es damals am Tempel von Delphi.

Wenn man jung ist, glaubt man, das Kennzeichen des Realen sei seine Messbarkeit. Was ich messen kann, existiert. Aber was existiert da, wenn ich die Distanz zweier Objekte messe? Muss ich nicht dazu zuerst den Begriff der Distanz haben, um sie messen zu können? Ja selbst wenn ich von einem Objekt "nur" eine Länge messe, die mir ganz klar vor Augen zu liegen scheint, muss ich doch zuerst den Begriff der Länge haben, ohne den ich mein messendes Tun gar nicht begreifen könnte. Und dazu bedarf es noch der definierten Einheit der Länge sowie eines Maßstabs, der diese durch die internationale Meterkonvention vom Mai 1875 vereinbarte Einheit zuverlässig wiedergibt, wofür die Eichämter mit ihren Referenznormalen sorgen. Ich messe also nicht reale Sachen, sondern mir verständliche Aspekte, die ich an die Erscheinungen herantrage, um mit ihnen in nützlicher Weise umgehen zu können. Alle Erkenntnis ist und gilt eben relativ zu den Erkenntnismitteln, wie ich eingangs sagte. Ohne diese sorgsam abgeklärten Mittel geistiger und realer Art gibt es keine quantitative Erkenntnis, die diesen Namen verdient. Dabei haben wir gerade gesehen, wie vieler Voraussetzungen es bereits bedarf, um auch nur die Länge eines Gegenstandes verbindlich feststellen zu können, wobei die wichtigste Aussage ist: Maße werden nicht gemessen, sondern definiert. Sie sind keine Frage der Wahrheit sondern der Geltung! Ohne zuvor definierte und durch Konventionen vereinbarte immer und überall gleiche Maßeinheiten und sie möglichst zuverlässig wiedergebende Messinstrumente kann es in der Wissenschaft wie in der Technik und im Handel keinen Vorgang geben, der die Bezeichnung "Messung" verdient und auf den man sich berufen könnte. Und wenn reale Maßstäbe durch Änderung ihrer Randbedingungen von der Norm abweichen, so kann man dies nicht freihand sondern eben nur durch nichtabweichende Referenz-Maßstäbe wissen*, während die definierte Maßeinheit von derartigen Abweichungen völlig unberührt bleibt. Andernfalls würde unsere technische Zivilisation im Chaos versinken.
*Raumzeiteffekte, selbst wenn es welche gäbe, sind prinzipiell unmessbar, da Längen und Zeiten und ihre Referenznormale gleichermaßen betroffen wären. Also ist es nicht nur sinnlos, solche Effekte wie Gravitationswellen zu suchen, sondern schon, über sie zu spekulieren. Laut Popper ist alles, was nicht falsifiziert werden kann, keine Wissenschaft.

Was ist in diesem Zusammenhang nun die Zeit? Die Zeit ist einerseits unsere geistige Ordnung des Nacheinanders, andererseits als physikalische Größe das Maß der Dauer, als die Differenz zweier Zeitpunkte, die uns durch Uhren gegeben werden, deren Gang dem internationalen Zeitnormal entspricht, so wie die Länge die Differenz zweier Raumpunkte auf einer genormten Skala ist. Uhren, Skalen und Instrumente messen nicht, sondern zeigen nur an. Messen dagegen ist ein kognitiver Akt quantitativen Wissensgewinn durch Inbezugsetzens einer unbekannten Abmessung zu einer bekannten, weil vom Menschen definierten, wodurch auch die bisher unbekannte Abmessung bekannt wird. Es ist also höchst irreführend so zu sprechen, als würden Uhren und Instrumente messen. Diese Rede ist nur ein Beispiel für die tiefe Bewusstlosigkeit des eigenen Tuns. Und es ist auch falsch so zu sprechen, als handle es sich bei physikalischen Größen, die ja rein geistiger Natur sind, um physikalische Gegenstände. So ist zum Beispiel Energie keine Sache, sondern das Maß der Arbeit, die eine Sache leisten kann. Auch Masse ist keine Sache, sondern das Maß eines mechanischen Widerstands, genannt "Trägheit", aus dem wir auf die Menge der widerstehenden Materie schließen, die dazu selbst keineswegs weiter bekannt sein muss. Und ich bin mir sicher, dass es auch Raum und Zeit als physikalische Objekte nicht gibt, dass sie, wie bereits gezeigt, vielmehr Ordnungsschemata unseres Geistes sind, mit deren Hilfe wir uns orientieren. Wir orientieren uns nicht IN Raum und Zeit sondern MIT Raum und Zeit! Mehr ist nicht erweislich. Wir sollten daher aufhören, ganz naiv und schon mehr als laienhaft in einem späten Materialismus physikalische Größen für physikalische Gegenstände zu halten. Das hatte ja schon bei der Temperatur nicht funktioniert, als Chemiker nach dem Wärmestoff Phlogiston suchten, der für die Wärme verantwortlich wäre. Die andauernde Suche nach dem Masse gebenden Higgsboson durch die Physiker ist das Phlogiston unserer Tage. Kein Wunder, dass man es wie dieses bisher hat nicht finden können.

Auch wenn die Temperatur auf das subjektive Wärmeempfinden zurückgeht, ist sie heute trotzdem eine der wichtigsten physikalischen Größen, ebenso wie Trägheit und Kraft, die auf das Empfinden von Widerstand und dessen Überwindung zurückgehen. Menschen sind selbstreferentielle Systeme, was man wissen muss. Auf dieser Selbstreferenz beruht unser Verstehen, weshalb mit ihr sorgfältig umzugehen ist, will man nicht den Boden unter den Füßen verlieren. Aspekte, physikalische Größen und ihre Einheiten sind und bleiben daher etwas Mentales, von Geist Gesetztes, die aller Messung vorausgehen. Wenn wir durch Verinnerlichung dieser unaufhebbaren Situation - ich betone: dieser unaufhebbaren Situation, die keine Theorie der Welt aus der Welt schaffen kann - mental erwachsen werden, verschwinden zugleich viele Probleme heutiger Physik, denn Probleme in der Wissenschaft sind zu allererst Folgen eines an den Gegenstand des Forschens unangepasstes Denken und Sprechen. Die Aufklärung der Beobachterrolle und eine sachlich zutreffende Sprache wird in Zukunft mehr echtes Wissen bringen, als alles weitere Herumforschen aufgrund ungeklärter Begriffe. Und sie wird helfen, die Rolle des Menschen in der Welt besser zu verstehen und sein Verantwortungsbewusstsein in jeder Hinsicht zu stärken, was ganz allgemein jedermanns größtes Anliegen sein sollte.

    im KGI-Hörsaal 1015 der Uni Freiburg  Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

    Autor:
    Helmut Hille, Heilbronn
    FV DD, Mitglied des AK Phil
    Kopfzitate und Bemerkung zu Raumzeiteffekten nachträglich eingefügt

Gewissermaßen ein Vortext zum Humanfaktor in der Wissenschaft ist der zuerst vorgesehene und dort als ersten Anhang auch abgelegte Schlussabsatz des Newtontextes der DPG-Tagung von 2007. Wegen des thematischen Zusammenhangs im Sept. 2016 hier her verlegt:
Dabei sollten wir physikalische Größen, die als Handwerkszeug des Physikers immer geistiger Natur sind, nicht als die physikalischen Gegenstände selbst ansehen, denn dann begehen wir nicht nur einen Kategorienfehler, sondern beschäftigen uns nur noch mit dem Werkzeug, statt mit den Gegenständen, die es mit seiner Hilfe erst zu erforschen gilt. Zudem zerfällt die Welt dabei in soviel verschiedene Wirklichkeiten und Kräfte, wie es physikalische Größen einschließlich Raum und Zeit gibt, wobei bei Einstein - infolge ihrer Relativität zur Geschwindigkeit - auch noch deren Einheit verloren geht, weshalb er lebenslang auf der (für ihn vergeblichen) Suche nach der Einheit der Physik war, die er zuvor selbst - bis heute anhaltend - gründlich zerstört hatte. Die Masse sah er zusätzlich auch noch in schwere und träge, ruhende und bewegte sowie in nahe und ferne Masse gespalten, woraus die von ihm initiierte, bis heute ebenso vergebliche wie unnötige Suche nach der Gleichheit von träger und schwerer Masse hervorging, obwohl sie eine Maßeinheit ist, nämlich die der Trägheit! Absurd! Ohne immer und überall gleichbleibende Einheiten gibt es kein Messen, das diesen Namen verdient. Eine Abhängigkeit der Grundeinheiten von deren Geschwindigkeit, die noch dazu nur im Kopf des zufälligen Beobachters existiert, ist ein Unding, denn Einheiten werden nicht gefunden, sondern definiert! Sie sind keine Frage der Wahrheit, sondern der Geltung! Was gibt es daran nicht zu verstehen??? Die Verschiedenartigkeit von Größen aller Art ist Ausdruck der in der langen Geschichte der Evolution des menschlichen Gehirns entwickelten geistigen Fähigkeit zu differenzieren und dabei unterschiedliche, uns Verständnis gebende Aspekte zu entwickeln, unter denen wir mit den Dingen umgehen, während die Realität selbst EINE ist, jede Denkbarkeit übersteigend, weshalb wir den Respekt vor ihr nie verlieren sollten. Auch in diesem Punkt menschliche Selbsteinschätzung zu verbessern ist dringend geboten:

denn wer sein Verstehen nicht versteht, versteht letztlich gar nichts.

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